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das Leben des Aristoteles

v. Chr. 399 trinkt Sokrates den Schierlingsbecher.

384 kommt Aristoteles in Stagira in der Chalkidike als Sohn des Nikomachos und der Phaistias zur Welt. Nikomachos war der Sohn eines gleichnamigen Vaters. Dieser wiederum war der Sohn von Machaon (dem heilkundigen Kämpfer vor Illion) und dieser ein Sohn des Asklepios (dem Gott der Ärzte). Der Vater von Aristoteles lebte am Hofe des Makedonerkönigs Amyntas. Er war Arzt und Freund des Königs. Aristoteles soll gelispelt haben, er hatte eine schwächlich wirkende Figur und hatte kleine Augen. Stattlich soll er sich gekleidet und für Haarpflege und Schmuck sehr viel Geld ausgegeben haben. Die Asklepiaden zu denen Aristoteles zuzurechnen war, pflegten ihre Söhne von klein auf das Lesen und Schreiben und auch die Kunst des Sezierens beizubringen. Durch den frühen Tod der Eltern wurde Aristoteles und sein Bruder von einem Freund des Hauses Proxenos erzogen.

367 ist Aristoteles 17 Jahre alt und läßt sich in die Akademie aufnehmen und wird Schüler des Platon. Aristoteles war von den Schülern der Akademie, der intellektuell Platon am nächsten stand. Vor seiner Aufnahme mußte Aristoteles bereits um das Wissen seiner Zeit gewußt haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Aristoteles von seinem Vater schon früh die Liebe zur Naturforschung und Heilkunst anerzogen bekommen hatte. Seine musische Erziehung muß bereits in Stagira begonnen haben. Zur musischen Erziehung gehörte auch die Kenntnis von Homers Dichtungen, über die er beim Eintritt in die Akademie verfügte.

370 war die musische Bildung um die Grammatik und Rhetorik erweitert worden. Elementares mathematisches Wissen mußte Aristoteles bereits, ehe er Platons Schüler wurde, gehabt haben, denn man fand nur Aufnahme in der Akademie, wenn man die Geometrie beherrschte. In der Akademie schloß er sich dem Sodalenkreis an, den Platon 387 in der Akademie, dem Gymnasion im Nordwesten der Stadt, das nach dem Heros Akademos genannt ist, gegründet hatte. Platon selbst war zur Aufnahmezeit nicht anwesend, er hielt sich in Sizilien von 367 bis 361 auf. Seine Freundschaft mit Hermeias entstand in der Akademie.

356 Wird Alexander der Große geboren.

347 Stirbt Platon, Aristoteles zieht der verwaisten Akademie die Gastfreundschaft des Eunuchen Hermeias Tyrann in Assos an der kleinasiatischen Küste vor. Einige behaupten, dieser sei der Geliebte von Aristoteles gewesen, andere behaupten, das Hermeias seine Tochter oder Nichte Aristoteles zur Frau gegeben habe. Andere wiederum behaupten, dass Hermeias Aristoteles seine Konkubine abgetreten habe, nachdem Aristoteles sich in sie verliebt hatte. Die Version, die mir am wahrscheinlichsten ist, lautete, Xenokrates -ein Platon-Schüler- und Aristoteles hielten sich bei Hermeias von Aterneus/Assos auf, um nach Platons Tod eine Akademie gleichen Charakters in Assos aufzubauen. Der plötzliche Tod Hermeias ( er wurde von den Persern an das Kreuz geschlagen) vereitelte die Pläne, allerdings um die Nichte und Adoptivtochter Pythias seines Freundes Hermeias zu retten, heiratete er diese. Führte bis zu ihrem Tod eine gute Ehe. Von dieser Frau bekam Aristoteles eine Tochter. Platons Akademie in Athen bestand weiterhin.

345 Verlegt der jungvermählte Aristoteles den Sitz seines Forschungsinstituts in die Heimat seines späteren Nachfolgers Theophrast, der auf der Insel Lesbos (das damalige Sylt ) wohnte.

342/3 Ergeht an Aristoteles der Ruf, Alexander griechisch zu erziehen. Er nimmt an und zieht an den makedonischen Hof in Pell. Er soll König Philipp gebeten haben, seine Vaterstadt Stageira wiederherzustellen, die von Philipp vorher zerstört worden war. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Nachdem er seinen Auftrag als Lehrer Alexanders erfüllt zu haben glaubte, siedelte er nach Athen über, nicht ohne vorher seinen Verwandten Kallisthenes Alexander als sein Nachfolger, empfohlen zu haben. Da dieser dem König zu freimütig entgegentrat, wurde er verdächtigt an einem Anschlag gegen Alexander beteiligt gewesen zu sein, wurde verlaust und jeder Pflege bar einem Löwen zum Frass vorgeworfen.

340/338 entscheidet der 18 jährige Alexander als Befehlshaber des makedonischen Kavallerieflügels die Schlacht bei Chaironeia, ein Kampf gegen Griechenland. Der Widerstand der griechischen Stadtstaaten gegen eine geschlossene Frontstellung zur persischen Großmacht bricht zusammen.

336 Wird Philipp von Makedonien bei einer Hochzeit ermordet. Seine Nachfolge tritt Alexander an.

335 Festigt Alexander seine Macht durch die exemplarische Strafaktion gegen Theben. Als Aristoteles für die Athener zu König Alexander nach Makedonien gesandt wird, setzt sich Xenokrates an die Spitze der Akademie, bei Aristoteles Rückkehr sieht er, dass die Akademie die Leitung gewechselt hatte. Er trennt sich von Platons Akademie, pachtete sich ein kleines Musenheiligtum außerhalb der Stadt und macht den dem Apollon Lykeions geweihten Hain zur Stätte seiner Lehrtätigkeit. Der Statthalter Antipater unterstützt Aristoteles bei seinem Vorhaben. Hier soll Aristoteles mit seinen Schülern durch den Garten gewandelt sein und sie unterrichtet haben. Daher der Name Peripatetiker (die Herumwandler). Als die Zahl seiner Schüler wuchs, soll er seine Vorträge im Sitzen abgehalten haben. Seine Vorträge soll Aristoteles immer mit den Worten eingeleitet haben:

                                                 Xenokrates soll reden und ich schweigen? - Nein!

Als Ausländer durfte Aristoteles kein Grundeigentum in Athen käuflich erwerben, darum mußte er das Grundstück mieten. Das Zentralgebäude der Anlage war ein „Peripatos“, ein Komplex aus zwei Hallen, in denen man ebenfalls herumgehen konnte, außerdem gab es große und kleine Arbeitsräume und Wohnzimmer. In den Arbeitszimmern war eine Bibliothek, ein Naturalienkabinett und ein Laboratorium für naturwissenschaftliche Experimente untergebracht. Die Ausstattung der Akademie war neu, anders als Platon ließ er kein Sinnbild des Eros aufstellen. Hallen oder Vortragssäle und Arbeitsräume bildeten das „Museion“, nach diesem Vorbild ist später das Museion in Alexandria geschaffen worden, die riesige Zentralbibliothek und wissenschaftliche Zentralarbeitsstätte der gesamten Alten Welt, die hellenistische Zentraluniversität. Nach dem Muster des alexandrinischen Museions war die Bibliothek von Pergamon angelegt, die zweitgrößte der Antike. Heutzutage erinnern an solche den Musen gewidmete Leseräume, Bildungsstätten, Buchsammlungen noch die meistens im vorigen Jahrhundert gegründeten privaten „Museumsgesellschaften“ deutscher Kleinstädte, und unsere „Museen“.

Anders als Platon mit seiner esoterischen Schulgemeinschaft, hielt Aristoteles ebenso wie die Sophisten regelmäßig auch öffentliche Vorträge, und zwar in den Abendstunden; insofern bekam der Peripatos auch den Charakter einer Volkshochschule. Die Vorträge waren allgemeinverständlich abgefaßt. Darin erwies Aristoteles sich als ein dem Volk zugewandter Aufklärer. Hingegen streng wissenschaftlich arbeitete er mit seinen Schülern vor allem morgens. Außer Vorlesungen im modernen Sinn hat er anscheinend auch Seminare gehalten, nämlich kleine, jeweils einem Spezialthema zugeordnete Arbeitsgruppen geleitet. Im übrigen ließ er, wiederum anders als Platon, seinen Schülern große geistige Freiheit, echte Selbständigkeit und forschte wirklich mit ihnen gemeinsam: ein im modernen Sinne vorbildlicher Lehrer und Erzieher, der stets, wie bei uns erst seit dem Gründungsprogramm der Berliner Universität üblich, Forschung und Lehre vereinigte.

334 Überquert Alexander den Hellespont, opfert am Grab des homerischen Achilleus und beginnt seinen Siegeszug mit der Überwindung der persischen Satrapen Kleinasiens am Granikos.

333 Kommt das Glück den griechischen Truppen in der Schlacht bei Issos zu Hilfe. Dareios’ Stern sinkt.

330 Wird Dareios beim Einmarsch Alexanders von dem Satrapen Bessos ermordet.

327 Erreicht Alexander den Indus.

324 Lässt nach der brutal unterdrückten Meuterei des europäischen Truppenkontingents Alexander in Susa das größte Hochzeitsfest aller Zeiten stattfinden.

323 Stirbt Alexander an vorzeitiger Erschöpfung oder aufgrund eines heftigen Sumpffiebers in Babylon. Aristoteles flieht aus Athen nach Chalkis, weil er eine Anklage wegen Gottlosigkeit zu fürchten hatte, die der Oberpriester Eurymedos oder Demophilos gegen ihn erhob. Der Grund dieser Anklage war ein Lobgesang auf Hermeias, den Aristoteles auf dessen Statue in Delphie setzen liess:
 

  Tugend, schwer erringbar für die Menschen, 
Schönstes Ziel uns für das Leben, 
Hehre Jungfrau, deine Schönheit läßt die Menschen 
Unverzagt die größte Mühe tragen, 
Macht in Hellas selbst den Tod zur Freude. 
Solche Himmelsfrucht erwächst durch dich dem Herzen. 
Weder Gold noch Eltern noch des süßen Schlafes Ruhe 
Kommen dir an Wert gleich und an Würde. 
Dir zu Liebe scheute Herakles, der Zeusentsproß’ne, 
Scheuten Leda’s Söhne keine Mühsal, 
Deiner habhaft sich zu machen. 
Dich ersehnend weihte sich Achilles, 
Weihte Aias sich dem Tode. 
Ja, dein Bild, das holde, 
Ließ auch den Hermeias auf der Sonne Strahl verzichten. 
Seine Taten leben fort im Liede, 
Und die Musen, Mnemosynes Töchter, 
Mehren seines Namens Ruhm in Zukunft, 
Zeus zu Ehren preisend seine Gastlichkeit und seine Freundschaft.
 

Hier stirbt Aristoteles an einem Magenleiden.

Der wahre Grund scheint gewesen zu sein, dass die Athener nach Alexanders Tod sich der makedonischen Herrschaft entledigen und Aristoteles, dem Athen zu seiner Wahlheimat geworden war, durch einen Prozess dazu zwingen wollten, die Stadt zu verlassen.

322 Mißglückt die Revanche der Griechen gegen die makedonische Herrschaft durch Antipater. Demosthenes entzieht sich der Verfolgung durch Gift.

Diese Chronologie ist eine Kombination mehrerer gelehrter Werke, deren Grundlagen zum Teil kaum nachgeprüft werden können. Eines bleibt bemerkenswert, dass es nach dem Tode Platons eine Reihe von Schülern - darunter Aristoteles selbst - sich bemühten, die Erinnerung an Leben und Lehre des Meisters schriftlich festzuhalten. Für Aristoteles gibt es nichts dergleichen.

Persönliche tiefe Freundschaft hat er zweifellos für Hermeias empfunden, Liebe ebenso zweifellos zu Pythias, Herpyllis, seinen Kindern und vielleicht Nikanor, den wir aus dem Testament kennen. Theophrast wird sein Vertrauen und seine Sympathie besessen haben.

Sein Verhältnis zu Platon dagegen war wohl immer zwiespältig. Der Unterschied der beiden griechischen Denker lag nicht nur in der Zielgruppe ihrer Schriften, den Weg der Erkenntnis zum Wesen der Wirklichkeit, auch in ihrem Verhältnis zur politischen Realität. Platon gehörte der Aristokratie Athens an und blieb zeitlebens der Tradition der Stadt aufs engste verbunden. Aristoteles dagegen war Zugewanderter, der sich in Athen nur als Gast fühlte.

Als zwiespältig darf man wohl auch sein Verhältnis zu den Königen Philipp und Alexander auffassen. Ein Höfling war er nicht. Dazu war er viel zu klug und nüchtern. Aber auch die theatralische Pose, als Philosoph vor den Fürsten zu treten und ihm mannhaft unangenehme Wahrheiten ins Gesicht zu schleudern - eine Pose, zu der sich selbst Platon zuweilen hat verführen lassen - lag ihm nicht. Wir werden annehmen, daß er liebenswürdig und distanziert mit den Königen verkehrte, stets bereit, nützlich zu sein, wo er glaubte es sein zu können. Aber weiter ging er nicht, und so war auch darüber nichts weiteres zu berichten.

Dass er Wert darauf legte, sich auch in seinem äußern Auftreten von der aufdringlichen Tugendhaftigkeit der Pythagoreer, wie mancher Platoniker und erst recht von der ordinären Bettelhaftigkeit der Kyniker zu unterscheiden, kann vermutet werden, da von ihm berichtet wird, dass er sehr viel Wert auf äußere Dinge legte. Seine Philosophie war in einem subtilen Sinne eine aristokratische Angelegenheit, sachlich, ausdauernd, nachsichtig und diskret.

Informationen über Aristoteless Leben kann man von ihm selbst aus Teilen seines Testaments entnehmen, oder von Zeitgenossen, die sich zu seinen Kritikern zählen lassen. Z. B., Aristoxenes, er war ein Schüler Aristoteles gewesen, aber zog sich nach dessen Tod tief beleidigt zurück, weil er nicht Nachfolger des Peripators wurde. In einer Veröffentlichung über Platons Leben beschreibt er Aristoteles als einen Ausländer, der versucht hatte in Platons Abwesenheit eine Konkurrenzschule aufzubauen. Leute die Aristoteles zu Lebzeiten öffentlich kritisiert hatte, polemisierten in verschiedener Weise zurück. So wissen wir durch eine boshafte Unterstellung eines Alexeinos, dass Aristoteles Lehrer von Alexander dem Großen war. Von Freunden, Verwandten oder Schülern erfahren wir nicht, wie Aristoteles gelebt hat.


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