Brief aus Prag |
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In Prag wird am 1. Januar das neue Jahr mit einem großen Feuerwerk am Ufer der Moldau, unterhalb des Letna Parks, begrüßt. Die Parizska Straße entlang bis zur Cechuv Brücke pilgern zu diesem Ereignis gefühlte tausend Menschen. Es sind italienische, japanische, englische, tschechische und eben auch deutsche Stimmen zu vernehmen. Was fasziniert diese Menschen an Prag? Die Reiseveranstalter versprechen uns ein Erlebnis, das alle Sinne anspricht. Vom Hradschin Platz sieht man von der Burgrampe aus die gesamte historische Stadt; bei Sonnen- oder Mondschein wird das Prädikat „goldenes Prag“ begreiflich. Prag ist nicht nur die „Goldene Stadt“, die Stadt der 100 Türme, die die Silhouette Prags beeinflussen. Man kann die vielen gotischen Spitzbögen, Renaissance-Fenster, Rokoko-Putten, Jugendstil-Figuren ebenso wie die Barockfassaden der Stadtpalais und geschichtsträchtigen Orte bewundern. Am Altstädter Ring steht das Denkmal des Reformators Jan Hus. Von hier aus begannen die Hussitenkriege und hier wurde 1621 der tschechische Adel geköpft und das Land für drei Jahrhunderte den Habsburgern untergeordnet, hier wurde die Gründung der ersten tschechischen Republik gefeiert. Prag besteht aus ursprünglich vier Städten: am linken Moldauufer der Hradschin und die Mala Strana (Kleinseite), auf der anderen Seite des Flusses gelangt man über die Karlova Brücke in die sich anschließende Altstadt (Stare Mesto) sowie die Neustadt (Nove Mesto).
Mit dem Glück mitten im Zentrum der
Neustadt am Wenzelsplatz bei Hapimag zu wohnen, hat man die schönen Fassaden der
Jugendstilhäuser direkt vor Augen. Begraben liegt Kafka (gest. 1924) neben seinem Vater Hermann (gest. 1931) und seiner Mutter Julie (gest. 1934) auf dem Neuen jüdischen Friedhof in Strasnice. Kafkas Schwestern wurden während des Zweiten Weltkrieges in Konzentrationslagern umgebracht. Eine Bronzetafel mit seinem Porträt ist an dem Haus Ecke Karpfen-/Maiselgasse angebracht. Der Platz führt zum Altstädter Ring und heißt heute Franze-Kafka-Namesti. Am Ende der Parizska Straße, unweit des Flusses, steht heute das Hotel Intercontinental. Hier hat Kafka von 1907-1913 gelebt und schrieb „Das Urteil“, „Die Verwandlung“ und den größeren Teil des Romans „Der Verschollene“. Letzterer wurde von seinem Freund Max Brod später in „Amerika“ umbenannt. Einige Wohnorte Kafkas, zum Teil gemeinsam mit seinen Eltern bewohnt, zum Teil allein, sind heute noch zu sehen. So im Areal der Prager Burg, ein Häuschen im Goldenen Gässchen, das die Schwester Ottla gemietet, und in dem Kafka nachmittags und abends gearbeitet hat. Von 1916 bis 1917 schrieb er hier fast die ganze Erzählsammlung des Zyklus „Ein Landarzt“ und eine Reihe weiterer Prosa. Seine Schulzeit verbrachte Kafka im staatlichen deutschen Gymnasium am Altstädter Ring, im Palais Golz-Kinsky. Das älteste erhaltene Schwimmbad an der Moldau wurde von Kafka seit seinen Knabenjahren, zunächst in Begleitung seines Vaters, besucht. Das Franz-Kafka-Museum, ebenfalls an der Moldau gelegen, würdigt Kafkas Leben und Werk in einer angemessenen und ansprechenden Ausstellung. Kafkas Freund, dem Schriftsteller Max Brod, ist es zu verdanken, dass hier im Museum Originaltagebuchaufzeichnungen Kafkas zu sehen sind. Kafka hatte den Freund vor seinem Tod gebeten, den überwiegenden Teil seiner Manuskripte zu vernichten. Für die Nachwelt ist es ein großes Glück, dass dieser Wunsch nicht erfüllt wurde.
Man kann sich Prag auf ganz
verschiedene Weise nähern: Eine Möglichkeit ist, auf Kafkas Spuren diese
Stadt zu erleben; eine andere, sich den musikalischen Genüssen im
Theater, sowohl im klassischen als auch im Marionetten- oder Schwarzen
Theater oder den leiblichen Genüssen in den zahlreichen Bier-
und Weinlokalen
hinzugeben. Die tschechische Küche ist weltbekannt und gut deftig.
In den meisten Restaurants ist es übrigens erlaubt, an extra
ausgewiesenen Plätzen zu rauchen. Pavel Kohout, 1928 in Prag geborener Schriftsteller und einer der Wortführer des Prager Frühlings, schreibt „…der Besucher, dessen Sinne funktionieren, wird dann auch sicher wissen, dass seine erste Begegnung mit Prag nicht die letzte bleiben kann.“ Eben dieses weiß ich genau. Sylvia Remé Im Januar 2015 |
Die Autorin: Dr. Sylvia Remé |
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