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Villa d’Este in Tivoli bei Rom

Die Tradition des römischen Renaissancegartens setzt sich im Garten der Villa d’Este in Tivoli fort. Der Bezug zum Cortile de Belvedere ist sehr eng, zumal Pirro Ligorio, Vollender des Belevedere Komplexes, die Konzeption für Tivoli ausarbeitete. Ligorio erhielt wohl schon gegen 1550 von dem prunkliebenden Kardinal Ippolito II. d’Este den Auftrag, Entwürfe für die Villa und die Gartenanlage vorzulegen. Zu dieser Zeit stand Bramantes geniale Architekturkomposition aus Terrasse, Freitreppe, Rampe und Exedra im Vatikan unmittelbar vor der Vollendung. Diese Elemente sah auch Ligorio für die Villa d’Este vor.

Noch heute kann man deutlich die beiden Teile unterscheiden, aus denen der Garten besteht. Der Hanggarten ist nordöstlich über ein System von Terrassen, Rampen und Treppen steil in den Berg eingefügt. Die durch Nischenarchitektur markierte Mittelachse führt von der oberen Palastterrasse hinab zu dem Hauptgarten, dem Gardino delle Semplici.

Hier verwandelt sich die offene Hauptallee in einen geschlossenen Laubengang, der auf halbem Weg von einem weiteren Laubengang gekreuzt und dort von einem Pavillon überhöht wird. Für die Beete waren Heilkräuter und Nutzpflanzen vorgesehen. Wie ein Stich von Etienne Duperac von 1573 zeigt – es handelt sich hier um eine Idealansicht, die kurz nach der Fertigstellung der Anlage entstanden ist -,flankieren je zwei Labyrinthe diesen Teil des Gartens.

Von den vorgesehenen vier Irrgärten wurden nur zwei im südwestlichen Gartenbereich ausgeführt. Ligorio orientierte sich, der Mode der Zeit entsprechend, offensichtlich an Serlios Labyrinth-Mustern.

Die Entwürfe des italienischen Architekten und Architekturtheoretikers waren damals auch über die Grenzen Italiens hinaus populär. Kopien seiner Arbeiten erreichten den französischen Hof, wo man die Skizzen und Bauvorstellungen des Italieners sehr schätzte. Deshalb wohl wurde Serlio 1542, fünf Jahre nach Erscheinen seiner „Regole“, seiner ersten Überlegung zur Architekturtheorie, Königlicher Baumeister in Fontainbleau.

Quer zur Hauptachse, die den Giardino delle Semplici mit dem Hanggarten und der Villa verbindet, sollten hintereinander gestaffelte Fischteiche, von denen drei ausgeführt wurden, den Beginn der Hangschräge markieren. Das letzte Becken schneidet in den nordwestlichen Hang ein und wird von einer Doppelterrasse abgeschlossen, über der sich die imposante Schauarchitektur der Wasserorgel erhebt. Als Gegenstück wählte Ligorio eine Exedra, die ähnlich einer Apsis aus der Stützmauer der südwestlichen Gartenbegrenzung herausragte.

Wenn man über die Hauptallee die zunächst sanft ansteigende Höhe in Richtung der Villa hinaufspaziert, gelangt man über das später angelegte Zypressenrondell zu dem Weg der Kanäle, auch Allee der hundert Brunnen genannt, dem wohl ehrgeizigsten Projekt des Kardinals. An beiden Enden des Kanals wurde je ein monumentales Brunnenwerk installiert, die Fontana di Tivoli und die Fontana di Roma. Im Tivolibrunnen, dem Hauptwasserreservoir der Gartenanlage, tritt durch einen unterirdischen Kanal ein Nebenarm des Flusses Aniene hervor, der wiederum unterirdisch zum Weg der Kanäle geleitet wird, wo er die Fontänen und die vielen Überlaufbecken speist.
Über dem Tivolibrunnen erhebt sich ein künstliches Gebirge mit Grotten.

Es wird bekrönt von Pegasos, der dem Mythos zufolge am Parnass die Quelle Hypokrene zum Sprudeln brachte. Der Kanal, dessen bewegte Wasser sich über drei Terrassen ergießen, führt zur Statue der Roma, die hoch über dem Tiber thront. Hinter ihr baut sich die Kulissenstadt Rom mit ihren bedeutendsten Gebäuden auf. Diese Rometta, die um 1855 zum größten Teil abgebrochen worden ist, bildet zusammen mit der Fontana di Roma das Pendant zu dem gebauten Brunnengebirge. Die Kunst, das Wasser aus den tiburtinischen Gebieten, den  Albaner Bergen, nach Rom zu leiten, wird hier symbolisch als Grundvoraussetzung für die kulturelle Blüte der Ewigen Stadt gedeutet. Zeitgenössischen Berichten zufolge soll man seinerzeit – die Gartenanlage war noch überschaubar und längst nicht so überwuchert und zugewachsen wie heute -, auf der Terrasse der Fontana di Tivoli stehend, hinter der Fontana di Roma und der Kulisse der Rometta im fernen Dunst die Gebäude Roms erblickt haben. Der Garten der Villa d’Este ist auf die Blickrichtung von unten  nach oben hin angelegt, wie es auch der Stich von Etienne Duperac zeigt. Dem Besucher, ob in den immergrünen Irrgärten wandelnd oder aus dem Laubengang in der Zentralachse heraustretend, boten sich vielfältige und interessante Blicke auf den Hanggarten, auf die auf und niedersteigenden und kunstvoll einander kreuzenden Wege, Rampen und Tore und schließlich auf die Fassade der Villa. Neben dieser „ästhetischen“ Perspektive des Gartens bot sich dem Besucher auf der Terrasse der Fontana di Tivoli die schon erwähnte  mythisch- metaphorische
Perspektive. Das Wasser rauschte aus dem künstlichen Gebirge hervor, floss durch den Kanal, wobei es sich von einer Brunnenschale in die andere ergoss, und erreichte schließlich die Rometta.

In dem Stich von Duperac fällt die klare, fast schon starre geometrische Gliederung der Gartenanlage auf. In diesem Sinne gehört der Garten eindeutig der Renaissance an. Das betrifft auch die vielen antiken Statuen und die an an der Antike orientierten Ausstattungselemente. Maniristisch nehmen sich die vielen mythologischen Anspielungen und das Spiel mit dem historisch-archäologischen Wissen aus. Letzteres betrifft insbesondere die aus Kulissenbauten errichtete Rometta. Demgegenüber dürften die über bestimmten Blickachsensystemen angelegten Alleen und Wege, d.h. deren Ausrichtung auf point de vue, bereits als barockes Gestaltungselement gelten.

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