Rezension von Dr. rer. biol. hum. Larissa Burruano

Veröffentlicht in: reportpsychologie, Fachzeitschrift des BDP,
Zeitschrift des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.,
38. Jahrgang, 10/2013

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Ziele des Buches?

Die Autorin will eine umfassende Darstellung des Lebensweges des Rechtsanwalts Werner Holtfort geben und die Leserinnen und Leser möglichst nahe an die Art und Weise, wie der Parlamentarier in gesellschaftliche und politische Strukturen eingegriffen hat, heranführen. Dazu werden in der Biografie von Holtfort ausgewählte biografische Ereignisse (Elternhaus, Kindheit und Jugend, Berufswunsch und Militärdienst, akademische Ausbildung, Studienzeit in Göttingen, Dissertation) beschrieben. Die einzelnen Kapitel widmen sich Holtforts Arbeit als Anwalt in politischen Verfahren der 1970er- und 1980er-Jahre und als Politiker im niedersächsischen Landtag von 1982 bis 1990 sowie seinem politischen und gesellschaftlichen Engagement außerhalb des Parlaments. Es wird dem problematischen Umgang mit dem Nationalsozialismus und der eigenen Schuld in dieser Zeit nachgegangen. Nach der anfänglichen Begeisterung Holtforts als Kriegsteilnehmer und seiner Abkehr davon zu einem späteren Zeitpunkt denkt er über die Ursachen des Krieges nach. Er fordert genaue Analysen, wie Menschen zum Morden, Foltern und Kadavergehorsam erzogen werden konnten.

 Zielgruppen des Buches?

Studierende der Psychologie, gutachterlich tätige Psychologinnen und Psychologen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Juristen.

Wie liest sich das Buch?

Das Buch ist gut strukturiert und verständlich geschrieben. Interessant ist, dass sich die Autorin generell auch auf die Zeugen bezieht, die sie interviewt hat, um möglichst viele Aufschlüsse über das Leben von Werner Holtfort zu gewinnen.

Wie gut informiert das Buch die Zielgruppen?

Das Buch informiert die Zielgruppen ausführlich über die Biografie von Werner Holtfort, über die Konfrontation mit Schmäh- und Drohbriefen, über die Mandatsentziehungen, über die Verübung von Brandanschlägen, über die aufsteigende bürgerliche Laufbahn des Anwalts, die dann plötzlich abbrach. Die Autorin legt großen Wert darauf, möglichst mit den zutreffenden Worten Holtforts ausgeprägten Gerechtigkeitssinn in seinem konsequenten Verhalten zu beschreiben. Die Psychologen können herausfinden, inwiefern die Herkunft, die Erziehung durch den militärisch strengen Vater, die Bildung und seine eigene Interessenlage entscheidend für Werner Holtforts späteren Lebensweg waren. Das Buch eignet sich auch sehr gut als Hilfsliteratur für Jurastudenten, die sich mit dem Thema »die Rolle des Rechtsanwalts  im Wandel von Zeiten, Systemen und Personen« beschäftigen. Juristen bekommen damit einen sehr guten Überblick über den konsequenten Geist der freien Advokatur sowie die Rolle von Strafverteidigern in den verschiedenen politischen Systemen.

Stärken des Buches?

Das Buch ist gut strukturiert und lesbar. Es lohnt sich zu lesen – nicht zuletzt wegen der aktuellen Ergebnisse von epidemiologischen Studien zu den psychosozialen Langzeitfolgen des Zweiten Weltkrieges, der das schwerwiegendste zeitgeschichtliche Ereignis des letzten Jahrhunderts war. Die Autorin schildert, dass Holtfort als Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen und Anwältevereins (RAV) in Hannover am 8. Mai 1985 zur Bedeutung des 40. Jahrestages der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus und zum Ende des Zweiten Weltkrieges referierte und bekundete, dass er sich wegen seiner damaligen »unpolitischen Haltung« heute schuldig fühle. Die Forderung »nie wieder Krieg« müsse glaubhaft klingen, was sie jedoch noch nicht sei, weil man bis jetzt noch analysiere, wie Menschen zum Morden und Foltern, zum Kadavergehorsam und schweigenden Mitwissen »programmiert« werden könnten. Ein Exkurs zu Holtforts Gedanken über den Krieg und die 1940er-Jahre nach Kriegsende ist der Autorin sehr gelungen.

Schwächen des Buches?

Einige Ausführungen der Autorin im Hinblick auf Holtforts Dissertation klingen oberflächlich. Es bleibt auch die Frage offen, hinsichtlich der tieferen Erkenntnis, wie es zu der Wandlung Holtforts von einem –wie die Autorin formuliert – »Angehörigen der bürgerlichen Schicht hin zu einem politisch links einzuordnenden « Anwalt und Politiker gekommen ist. Es ist anzumerken, dass die unbefriedigende Quellenlage über sein persönliches Leben Inhaltsverzeichnisse und weitere Informationen zu den rezensierten Titeln unter www.reportpsychologie. de/ fachliteratur/ buchrezensionen | eine eindeutige und abschließende Deutung erschwert hat.

Für wen lohnt es sich, das Buch zu kaufen?

Das Buch ist interessant für Psychologen und Psychotherapeuten, die mit älteren Patienten arbeiten, bei denen das gesamte Spektrum psychischer Erkrankungen infolge von traumatischen Weltkriegsereignissen vorliegen kann, für Juristen, insbesondere für Anwälte, die der Auffassung sind, als »Rechtshelfer sozialer Gegenmacht« statt als »Organ der Rechtspflege« in der Gesellschaft aktiv zu sein, für alle, die Fragen des deutschen Umgangs mit der NS-Vergangenheit nachgehen und sich eine Meinung über die Langzeitfolgen auch für die nachfolgenden Generationen bilden wollen. Die Werte »Mitmenschlichkeit«, »Gerechtigkeit des Herzens«, »menschliche und gesellschaftliche Solidarität« haben das Leben und Wirken von Werner Holtfort als Anwalt, Politiker und Parlamentarier bestimmt.

 Dr.rer.biol.hum.Larissa Burruano

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Landesgruppe Niedersachsen